Wer etwas zu vererben hat, steht nicht nur vor der emotionalen Entscheidung, wer was bekommen soll. Die große Frage ist, wie der Erblasser rechtzeitig sicherstellen kann, dass seinen Wünschen zur Aufteilung des Erbes nach seinem Tode Rechnung getragen wird. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, entscheidet sich für ein notarielles Testament. Dieses ist rechtssicher formuliert und der Erblasser vermeidet juristische Stolperfallen. Denn häufig sind die gesetzlichen Regelungen im Erbrecht anders, als viele es annehmen. Insbesondere das Pflichtteilsrecht hat seine Besonderheiten.
Beachtung des Pflichtteils insbesondere bei Immobilienbesitz wichtig
Der Pflichtteil ist insbesondere dann tückisch, wenn das Nachlassvermögen vor allem aus Sachwerten wie Immobilien besteht. Der Pflichtteil besteht nämlich nicht, wie man vom Begriff her vermuten könnte, in einer bestimmten Beteiligung am Nachlass. Der Pflichtteilsberechtigte hat vielmehr einen Anspruch auf Geldzahlung gegen die testamentarisch eingesetzten Erben – und zwar in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbrechts. Nicht selten muss ein die Erbschaft ausmachendes Haus kurzfristig verkauft werden, gegebenenfalls sogar unter Wert, um Pflichtteilsberechtigte auszahlen zu können. Das lässt sich vermeiden, wenn man bei Zeiten vorsorgt.
Pflichtteilsentziehung meist wirkungslos – Pflichtteilsverzichtsvertrag ratsam
Entgegen einem verbreiteten Irrglauben ist die Entziehung des Pflichtteils kaum möglich. Die Pflichtteilsentziehung kann nur in sehr speziellen Ausnahmefällen, zum Beispiel bei der Begehung eines strafrechtlichen Vergehens gegen den Erblasser, dessen Ehegatten oder ihm nahestehenden Personen, erfolgen. Zwar wurden die Pflichtteilsentziehungsgründe im Zuge einer Erbrechtsreform neu gefasst, doch genügt nach wie vor eine bloße Vernachlässigung des Erblassers nicht, um eine Pflichtteilsentziehung zu begründen. Während die Pflichtteilsentziehung in der Praxis nur eine sehr geringe Rolle spielt, ist die Möglichkeit, in einem notariellen Vertrag einen Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht zu erklären, viel naheliegender. Ein solcher Verzicht kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen.
Verminderung des Pflichtteils durch Übergabevertrag
Zudem bieten sich Übergabeverträge an, um seine Lieben vor unliebsamen Pflichtteilsforderungen der Verwandtschaft zu schützen. Sind seit der Schenkung zehn Jahre verstrichen, bleibt die Übergabe unberücksichtigt – dem Pflichtteilsberechtigten steht dann kein sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch mehr zu. Innerhalb des Zehnjahreszeitraumes gilt seit 2010 eine “gleitende Ausschlussfrist”. Das bedeutet: Je länger die Schenkung zurückliegt, desto weniger findet sie Berücksichtigung. Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird demnach voll in die Berechnung einbezogen, im zweiten Jahr nur noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw. Herr Wilhelm aus dem Eingangsbeispiel könnte sein Häuschen also seinem älteren Sohn bereits zu Lebzeiten übertragen. Durch rechtzeitige Schenkungen lässt sich das Pflichtteilsrecht mindern oder sogar gänzlich ausschließen, jedes Jahr zählt. Dabei ist zu beachten, dass die Frist nicht zu laufen beginnt, sofern sich der Schenker den Nießbrauch oder die Nutzung vorbehalten hat. Ein Notar kann in solchen Fällen Gestaltungswege empfehlen, die sowohl dem Sicherungsinteresse gerecht werden als auch den Pflichtteilsergänzungsanspruch ausschließen.
Quelle: notar.de